Es ist wie verhext: Während man am Schreibtisch kaum die Augen offen halten kann, liegt man nun wieder im Bett und wälzt sich von einer Seite zur anderen. Nur der Schlaf möchte sich nicht einstellen. Schlafstörungen können uns alle betreffen. Der eine fiebert einem Ereignis entgegen, positiv wie negativ, und kommt deswegen einfach mal nicht zur Ruhe. Der andere ist jedoch dauerhaft vom Schlafmangel gebeutelt. Wenn die Nacht zum Tag und der Tag unerträglich wird, ist individuelle Hilfe gefragt.
Unterschätzter Heilsbringer – warum guter Schlaf so wichtig ist
In unserer modernen Arbeitswelt gilt weitläufig das „Leistungsprinzip“: Am besten rund um die Uhr erreichbar sein, noch zu Hause dringende Aufgaben erledigen und möglichst wenig schlafen. Nicht selten rühmen sich Arbeitnehmer damit, dass sie noch bis spät in die Nacht hinein am Schreibtisch saßen, damit das Exposé doch noch rechtzeitig fertig wird. Stress ist ein positives Zeichen für Einsatzbereitschaft. Wer wenig schläft, gilt als fleißig, motiviert und erfolgreich. Doch ist es grade der gute Schlaf, der uns erfolgreich werden lässt. Während wir schlafen schaltet unser Körper in den Reparaturmodus. Beschädigte Zellen werden vermehrt beseitigt, das Immunsystem läuft im Schlaf auf Hochtouren. Hingegen nutzt das Hirn die Zeit, um Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Der Großteil unserer Lernarbeit geschieht im Schlaf. Herz und Kreislauf erholen sich hingegen von den Strapazen des Tages. Insbesondere die Tiefschlafphasen sind für unseren Körper der beste Kraftquell. Dieser Modus kann durch Schlafmangel empfindlich aus der Balance kommen.
Laut einer Studie der DAK¹ aus dem Jahr 2017 leidet circa jeder zehnte Arbeitnehmer unter Schlafstörungen – im Vergleich zu 2010 ist das ein Plus von 60 Prozent. 80 Prozent der Befragten berichten von gelegentlichem Schlafmangel. Rund die Hälfte aller Arbeitnehmer fühlt sich müde am Arbeitsplatz.
Als Ursache listet die Studie mehrere Faktoren auf. So steht der hohe Leistungsdruck auf Position eins der „berufsbedingten“ Ursachen für Schlafmangel. Überstunden und Schichtdienst verringern die möglichen Erholungsphasen und stehen im Ranking ebenfalls weit oben. Existenzängste fördern das nächtliche Grübeln. Kommt dann noch Ärger mit der Familie hinzu, potenzieren sich die Faktoren. Doch einen besonderen Faktor haben wir fast alle täglich öfter in der Hand als uns gut tut: Das Smartphone mit seinen blauen Lichtanteilen bringt unser Melatoninsystem durcheinander und hindert uns am Ein-bzw. Durchschlafen. Wer im Bett Emails liest oder zum Entspannen noch ein Spiel „daddelt“, opfert seinen Schlaf langfristig der Technik.
Schlafmangel und seine Folgen
Wir kennen ihn alle: den morgendlichen Kater, wenn die Fete ohne uns nur halb so gut gewesen wäre. Während wir diesen Zustand nach einer tollen Party fast erwarten und als Nebenwirkung hinnehmen, können wir mit einem dauerhaften Zustand dieser Art nur schwer überleben. Der Dauerkater wirkt sich auf das Familien- wie auch auf das Berufsleben aus. Schlafprobleme ziehen vielfältige Folgeerscheinungen nach sich. So ist eine abnehmende Leistungsfähigkeit nur eine logische Folge der nächtlichen Ruhelosigkeit. Dauerhafte Schlafprobleme führen zu Konzentrationsstörungen und Müdigkeits- bis hin zu Schlafanfällen. Wer sich so hinter das Steuer setzt, riskiert mit dem möglichen Sekundenschlaf nicht nur das eigene Leben. Doch auch Immunsystem und Kreislauf zeigen die Auswirkungen des Schlafmangels. Infektanfälligkeit und die Neigung zu Bluthochdruck machen darauf aufmerksam, dass unserem Körper die wichtige, nächtliche Erholungsphase fehlt. Depressionen und Schlafmangel gehen Hand in Hand und verstärken sich gegenseitig. Ein regelrechter Teufelskreis wird in Gang gesetzt. Wer wegen einer Depression grübelt, schläft schlecht, wer schlecht schläft, findet schwerer einen positiven Gedanken. Ob zuerst der Schlafmangel oder erst die Depression da war, lässt sich dann meist nur in langwierigen Therapien herausfinden.
Ein Problem – viele Auswege
So vielfältig wie die Ursachen für Schlafstörungen sind auch die Maßnahmen für einen erholsamen Schlaf. Dabei sollte aber gesagt sein: Der einfachste Weg ist nicht immer der beste. So greifen rund 10,3 Prozent der Betroffenen zu Schlafmitteln. Diese bringen aber nur kurzfristige Entspannung. Besser ist es, die Ursachen der Schlafstörungen zu beseitigen. Nun will und kann nicht jeder durch einen Jobwechsel ein Grundproblem eliminieren. Jedoch können Gespräche mit dem Chef oder den Kollegen für Entlastung sorgen. Sei es, dass wir Arbeitsprozesse neu strukturieren, die Arbeit anders aufteilen oder Schichten schlaffreundlich gestalten – mit dem Problem sind wir selten allein im Job und werden Mitstreiter mit den gleichen Problemen finden. Ist der Druck allerdings zu groß und die Kommunikationsbereitschaft eingeschränkt, ist die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz eine notwendige Lösung.
Außerhalb der Firma können wir dennoch einiges tun, um gut in den Schlaf zu finden. Wer im Job unter Stress steht, braucht regelmäßige Entspannungsphasen. Bewegung heißt dazu eines der Zaubermittel, die auch in Rehakliniken zur Behandlung von Depressionen therapeutisch eingesetzt werden. Ein Wechsel aus An- und Entspannung bieten die unterschiedlichen Yogaformen. Ausdauersport ohne Leistungsdruck, wie Nordic Walking, Fahrradfahren und Schwimmen bringen unseren Körper wieder ins Gleichgewicht. Regelmäßige Bewegung (mehr als einmal pro Woche) wirkt sich positiv auf unseren Schlaf aus. Zum Abschalten reicht manchmal schon ein mäßig anstrengender Spaziergang durch den Park oder um den Block.
Medikamente sollten nur zur Unterstützung, nicht aber als alleiniges Heilmittel eingesetzt werden. Die Dosierung gehört in die Hände eines Fachmanns. Keinesfalls sollten wir damit experimentieren. Sanfte Hilfe bieten Medikamente mit Lavendelöl oder Johanniskraut. Abends gilt außerdem: Handy und Tablet aus! Der am einfachsten zu begrenzende Faktor kostet uns zu viel wichtige Ruhezeit. Wer nicht Transplantationschirurg oder Außenminister ist, muss nicht abends erreichbar sein (Bereitschaftsdienste natürlich ausgenommen). Spätestens eine Stunde vor dem Zubettgehen sollten wir auch die Technik in den Ruhemodus versetzen.
Professionelle Hilfe – wenn der Druck zu groß wird
Helfen diese vergleichsweise einfachen Maßnahmen nicht aus, sollte der Weg zunächst zum Hausarzt führen. Eine Krankmeldung für einige Tage kann schon ein wenig Spannung nehmen, um sich zu erholen und die Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Dabei sollte ein Plan für die weitere Diagnostik und Behandlung erstellt werden. In einem Schlaflabor können wir testen lassen, wie gut unsere Schlafqualität ist. Nicht selten fühlen wir uns auf Grund einer Schlafapnoe wie gerädert oder wachen nachts auf. Diese körperliche Ursache für Schlafmangel kann mittels spezieller Masken behoben werden. Ist der Körper gesund, kann ein Psychotherapeut bei der Ursachenforschung und Behandlung helfen. Sehr gute Resultate werden in psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahmen erzielt, die im Gegensatz zur medizinischen Reha bereits auf sechs Wochen angelegt sind.
Schlafprobleme betreffen einen Großteil der Arbeitnehmer. Dabei ist eine gute Schlafqualität der beste Leistungsmotor für den Körper. Die Beseitigung der Stressfaktoren ist essentiell im Umgang mit Schlafmangel. Medikamente sollten nur unterstützend eingesetzt werden und fachmännisch dosiert werden. Eine langfristige Therapie und ein Jobwechsel können in schweren Fällen Abhilfe schaffen.
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